Angst verstärken

Märchen in der Hundeerziehung - heute: Angst verstärken

Fußballweltmeister 2014
Fußballweltmeister 2014

Juhu, wir sind heute Nacht Fußballweltmeister 2014 geworden.

Was war das für ein Trubel, eine Aufregung und eine Freude. Unserer Chihuahua Swiffer, 2 Jahre alt, hat sich auch sehr gefreut, bis - ja bis zum erlösenden Tor und dem darauf folgenden Feuerwerk, lautem Hupen und den Böllern. Das fand er dann irgendwie doof und hat das mit lauter und aufgeregter Stimme auch kund getan.

Zum Glück – und darauf bin ich sehr stolz, kommt Swiffer zu meinem Mann und mir gerannt, wenn er sich erschreckt, wenn er Angst hat oder sich weh getan hat.  Zum Glück auch draußen.

Er kommt angesaust und sucht bei uns Hilfe. Vermutlich aber nur deswegen, weil er gelernt hat, dass er die auch ohne Wenn und Aber von uns bekommt.

Hunde die das nicht lernen, verstecken sich in solchen Situationen vielleicht irgendwo, wo man Mühe hat an sie heran zu kommen.

 

Also habe ich Swiffer gestern Abend erst einmal hochgenommen und mit ruhiger Stimme und Streicheleinheiten beruhigt und ihn dann weitergereicht zu meinem Mann.

 

Bei meinem Mann stand nämlich die Leberwursttube schon bereit und er hat Swiffi die Knallerei dann erst einmal schön gefüttert.

 

Bei jedem Knall gab es Leberwurst in die aufgeregte Chihuahua-Schnute und siehe da, bereits nach dem 3. Knall blieb Swiffi ruhig, hat nicht mehr gewufft und guckte nur noch aufgeregt zur Terrassentür. Drei weitere Zischs und Böller später, war das Ganze ausgestanden und Swiffi hat sich, wenn auch noch angespannt, zu uns auf die Couch gelegt.

 

Ich gebe zu, Swiffer gehört nicht zu den überängstlichen Hunden und lässt sich wirklich sehr schnell beruhigen.

Bei Hunden, die richtig Angst vor Feuerwerk und Knallerei haben, hilft vermutlich auch keine Leberwurst, die wären viel zu panisch um überhaupt nur an Fressen zu denken. Aber selbst wenn sie das Leckerchen annehmen würden, würde das ihre Angst nicht verstärken.

Du belohnst Deinen Hund wenn er bellt?

Ich sehe nun schon die entsetzten Gesichter der Erziehungsexperten: Wie, Dein Hund bellt und bekommt als Belohnung auch noch Leberwurst? Jaha!

 

Im übrigen auch dann, wenn er an der Terrassentür oder im Garten bellt. Er kläfft Eindringlinge an (meist fremde Katzen), ich rufe ihn fröhlich ab, er kommt angesaust und bekommt von mir eine Belohnung. SKANDAL!

 

Nach der Theorie, dass ihn das ja in seinem falschen Verhalten bestätigt, müsste Swiffer nun den ganzen Tag an der Terrassentür oder im Garten stehen, kläffen und dafür von mir ein Leckerchen erwarten. Tut er aber nicht. Komisch!

 

Er bekommt das Leckerchen nämlich nicht fürs Bellen sondern dafür, dass er das unerwünschte Verhalten abbricht und zu mir kommt. Bin ich in seiner Nähe, wenn so etwas passiert, lobe ich ihn natürlich nicht für das Bellen, sondern breche es mit einem strengen NEIN ab.

 

Aber darum geht es auch gar nicht, sondern um das nicht tot zu bekommende Gerücht, man dürfte Hunde die Angst haben nicht trösten und schon gar nicht streicheln, sonst würde man sie ja in ihrer Angst bestärken und ihnen Recht geben, dass sie einen Grund haben, ängstlich zu sein. Man soll sie einfach ignorieren, denn es ist ja gar nichts los.

 

Wie viele Jahre hat man versucht uns einzureden, dass jeder Beruhigungsversuch die Angst noch verstärken würde? Wo kommen solche Ratschläge her? Vielleicht von den gleichen Wissenschaftlern und Erziehungsexperten, die in der Zeit von 1930 -1940 in Elternratgebern gepredigt haben, man darf Kinder die Angst haben, nicht auf den Arm nehmen? Möglich wäre es.

 

Was für ein Blödsinn!

Angst verstärken

Klar, kann ich die Angst auch verstärken. Nämlich dann, wenn ich selbst Angst habe oder ich meinem Hund durch mein Verhalten Angst mache.

 

Natürlich kann ich seine Aufregung verstärken, in dem ich meinen Hund hoch pusche.

 

Das kann jeder von uns mal ausprobieren. Setze Dich mal vor Deinen Hund hin und fange an, ganz aufgeregt und mit hoher Stimme auf ihn einzureden.

Ja wo isser denn, ja was hat er denn, mein Süüüüßer, ja feeeeeein … und warte mal ab, wie lange es dauert bis er aufgeregt hüpft und bellt.

 

Wenn ich selbst bei Gewitter Panik habe und fürchte, dass mir gleich der Himmel auf den Kopf fällt, dann wird sich meine Aufregung natürlich auch auf meinen Hund übertragen.

 

Da kann ich meinen Hund auch nicht gut anschwindeln. Er ist ein Meister darin, meine Körpersprache zu lesen und meine Stimmung zu führen.

 

Trösten ist also immer erlaubt, sollte aber wirklich etwas Positives sein und kein Gejammer – und vor allem in ruhiger Atmosphäre. Egal ob bei Schmerzen oder bei Angst. Es wird ja alles gut!

 

Ruhige Gelassenheit, tröstende Worte und eine positive Ausstrahlung verstärken ganz sicher keine Ängste.

Es gibt Studien, die belegen wollen, dass Streicheleinheiten Stress beim Hund nicht abbauen … aber das ist wieder eine andere Geschichte :D

 

Wie sind Deine Erfahrungen? Tröstest Du Deinen Hund? Lässt er sich trösten/ beruhigen?

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Kommentare: 1
  • #1

    Nicolle (Dienstag, 15 Juli 2014 09:18)

    Das ist aber kein Märchen, wie Du ja selbst sehr schön beschreibst. Die meisten Halter verstärken in einer solchen Situation eben doch das Verhalten, weil sie unendlich auf das Tier einreden und selbst Sorge und Anspannung ausstrahlen, wenn bestimmte Situationen auch nur nahen. Dadurch suggerieren sie dem Tier: Achtung, das wird jetzt heikel. Und dann übernimmt das Tier die Kontrolle und will das für seine Menschen klären.
    In der Tat ist die beste Therapie dieses Problems Ablenkung und Belohnung, wenn die Ablenkung funktioniert. Aber wie bei allem ist dabei das Timing von entscheidender Bedeutung.